Was ein hoher Butterpreis mit Markenarbeit zu tun hat? „Viel“, sagen Carolin Deberling und Daniel Dietrich. Im Interview sprechen die beiden Marketing-Experten über Werte von Marken und Unternehmen in Krisenzeiten, die Generation Z mit ihren neuen Wertvorstellungen – und den Mittelstand, der eigene Unternehmenswerte auf den Prüfstand stellt.
Warum sind Werte für eine Marke so wichtig?
Daniel Dietrich: Produkte und auch Dienstleistungen werden immer vergleichbarer – sozusagen austauschbarer. Am Ende entscheiden deshalb immer Werte darüber, ob der Kunde das jeweilige Produkt kauft, denn nur durch Werte werden gewisse Empfindungen und Emotionen für eine Marke hervorgerufen. Wer eine Marke aufbaut, arbeitet kontinuierlich an den eigenen Unternehmenswerten. Außerdem verändern sich Märkte, Mitarbeiter und die Gesellschaft und daran muss sich ein Unternehmen ständig anpassen.
Carolin Deberling: Natürlich haben alle Unternehmen ein Werte-Setting, was eine gewisse Kontinuität mit sich bringt. Aber durch die veränderte Marktsituation wandeln sich Werte stark und das muss man im Markenentwicklungsprozess berücksichtigen. Gerade in Krisenzeiten müssen Marken und Unternehmen mit ihren Werten in der Kommunikation präsenter sein, um ihre Sichtbarkeit nicht zu verlieren.
Das heißt, in der Krise brauchen Menschen Werte mehr denn je?
Daniel Dietrich: Ja, absolut. Wenn es irgendwo ein Problem gibt, suchen Menschen nach Beständigkeit und Sicherheit – und starken Marken. Hat der Verbraucher Vertrauen in eine Marke, kauft er sie weiterhin, auch wenn sie beispielsweise teurer wird. Etwas Neues ausprobieren – das machen Menschen lieber in Zeiten, in denen der Geldbeutel lockerer sitzt, sie keine Sorgen haben und entspannter leben.
Wir kaufen teurere Produkte – aufgrund von Werten?
Carolin Deberling: Nehmen wir das Beispiel Butter. Plötzlich kostet die Kerrygold-Butter statt zwei Euro 3,50 Euro. Da muss die Marke schon eine gute Arbeit geleistet haben, damit die Kunden sie immer noch kaufen, obwohl sie eigentlich für viele zu teuer erscheint. Das tun sie deshalb, weil sie gewisse Werte mit Kerrygold verbinden, zum Beispiel gute Qualität, Frische, Nachhaltigkeit durch Weidemilch. Genau das ist gute Markenarbeit.
Ein anderes aktuelles Beispiel ist die Modemarke Balenciaga. Da kostet ein schwarzes Baumwoll-T-Shirt mit Aufdruck 400 Euro. Das gleiche T-Shirt gibt es bei C&A für zehn Euro. Im Grunde ist es also dasselbe Produkt. Das heißt, die Marke Balenciaga muss so aufgeladen sein, dass jemand trotzdem das vielfach teurere Shirt kauft. Das funktioniert nur durch Werte. Allein dadurch kann Balenciaga diese Preisspanne überhaupt rechtfertigen. Jetzt gab es aber eine Balenciaga-Werbekampagne, in der Kinder mit Teddybären in Bondage-Kleidung abfotografiert wurden, was einen heftigen Shitstorm ausgelöst hat. Das ist der Supergau für eine Marke, denn dadurch kann sie extreme Marken- und Imageverluste erleiden.
Hinter einer guten Arbeitgebermarke steht immer ein Prozess – so wie bei einer guten Produktmarke eben auch.
Können Marken also durch ein unangebrachtes Wertebild Schaden nehmen?
Carolin Deberling: Absolut! Ein Unternehmen definiert immer für sich positive Werte – passend zu den Werten der Zielgruppen. Dies muss einhergehen. Gefährlich wird es letztendlich nur, wenn gewisse Werbekampagnen nicht auf die positiven Werte einzahlen oder das Management des Unternehmens aus egoistischen Gründen diese Mission verlassen. Bestes Beispiel ist hier in aktueller Stunde Elon Musk. Das, was er mit Twitter anstellt, wird keine positiven Effekte für Tesla haben.
Kerrygold, Balenciaga, Tesla – das sind große Player. Wie funktioniert Markenarbeit denn im Schwarzwälder Mittelstand?
Daniel Dietrich: Viele Familienunternehmen, die im Schwarzwald in vierter, fünfter Generation geführt werden, waren lange goldene Zeiten gewohnt. Da ging es viele Jahre vor allem um die Expansion. Um das Marketing mussten sich viele Firmen kaum Gedanken machen. Das hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt, vor allem auch durch den großen Fachkräftemangel. Viele Firmen sind also noch in einem Reifungs- und Nachholprozess.
Carolin Deberling: Wir sehen, dass sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt hat. Wenn Unternehmen keine Marken entwickeln, die sie auch nach innen leben, haben sie große Schwierigkeiten, Fachkräfte zu bekommen. Da bringt es nichts, 100 statt zwei Stellenanzeigen zu schalten, um mehr Bewerbungen zu bekommen. Da ist tatsächlich noch viel Gedankenarbeit in der Unternehmensführung nötig, denn die junge Arbeitnehmergeneration tickt völlig anders.
Studien zeigen, dass die Generation Z, die jetzt den Arbeitsmarkt betritt, ganz andere Werte hat. Was hat sich verändert?
Carolin Deberling: Die Generation Z macht nicht irgendwo eine Ausbildung und geht dann dort irgendwann in Rente. Die Verbindung zum Unternehmen ist ganz anders als früher. Ein junger Mensch möchte heute viel Eigenverantwortung, spannende Projekte steuern, als Mensch gesehen werden. Es reicht also nicht, wenn ein Arbeitgeber einfach nur einen guten Job anbietet. Den kann der junge Mensch überall haben. Es muss schon deutlich werden, mit welchen Unternehmenswerten sich der Arbeitgeber von Wettbewerbern unterscheidet. Schöne Worte in Stellenanzeigen sind dabei zu wenig, es muss schon klar sein, dass genau das auch im Unternehmen gelebt wird, was in einer Anzeige steht.
Daniel Dietrich: Früher hat man gearbeitet, um etwas zu erreichen. Heute geht es vor allem um Wertschätzung und eine Sinnhaftigkeit der Arbeit. Der Grund, warum ein junger Arbeitnehmer morgens bei der Arbeit erscheint, ist eben nicht mehr rein monetär.
Gibt es SOS-Maßnahmen, die Arbeitgeber ergreifen können, um Mitarbeiter zu finden?
Daniel Dietrich: Hinter einer guten Arbeitgebermarke steht immer ein Prozess – so wie bei einer guten Produktmarke eben auch. Da gibt es keine Maßnahmen-Klaviatur, die man abspielen kann. Es geht zunächst darum, den Unternehmensgeist zu erspüren. Sonst besteht die Gefahr, dass man eine reine Werbeblase erzeugt und ein halbes Jahr später in Bewertungsportalen wie Kununu steht, wie doof dieser Arbeitgeber ist.
Carolin Deberling: Dabei geht es natürlich auch um Nachhaltigkeit. Zunächst mal muss man fragen, welche sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekte ein Unternehmen hat und welche Zielgruppe gesucht wird. Außerdem geht es darum, ausgehend von den Markenwerten des Unternehmens, zu schauen, was die Werte sind, die es als Arbeitgeber vermitteln will. Am Ende geht werden diese Werte in die dementsprechenden Kanäle transportiert.
Sind Unternehmen mit der Vielfalt an digitalen Kommunikationsoptionen überfordert?
Carolin Deberling: Viele Unternehmen planen da gar nicht richtig und unterschätzen größtenteils den Aufwand einer professionellen Bespielung eines Social-Media-Kanals. Es funktioniert nicht, eine Präsenz auf Instagram, TikTok oder LinkedIn zu haben, ohne sich dabei zu überlegen, was genau denn dort transportiert werden soll. Da braucht es einen Jahresplan, ein Storyboard, guten Content, der für unterschiedliche Kanäle unterschiedlich aufbereitet und ausgespielt wird, Analysen und Bewertungen – das sind so viele Aufgaben und da steckt so viel zeitlicher Aufwand dahinter, den niemand so nebenbei macht.
Welche Ziele hat GRUPPE DREI für 2023?
Carolin Deberling: Qualität vor Quantität! Wir wollen weiter die Qualität steigern und ausbauen und stärker werden im Bereich Design und Strategie. Außerdem werden wir Prozesse optimieren und Produkte auf- und ausbauen. So gliedern wir 2023 beispielsweise Social Media in eine eigene Abteilung aus, da das Thema einfach so wichtig ist – und die Anforderungen steigen. Wir machen außerdem gerade einen eigenen Positionierungsprozess durch, um zu schauen, wo wir etwas anpassen und verändern wollen. Wichtigstes Ziel ist natürlich: Wir wollen unseren Kunden weiterhin die besten Lösungen bieten.
Daniel Dietrich: GRUPPE DREI hat derzeit 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und kann nicht immer alles abdecken. Deshalb bauen wir Netzwerke und Partnerschaften aus, um unseren Kunden einen perfekten Service und Mehrwert zu bieten. Auch wir als Agentur haben natürlich Werte, die wir nach innen und außen leben, und auf die konzentrieren wir uns auch 2023. Zum Beispiel arbeiten wir sehr lösungsorientiert. Wir reden nicht lange um den heißen Brei herum in einem Agenturdeutsch, das niemand versteht, sondern wir handeln – und das gesamte Team übernimmt Verantwortung. Da sind wir eben auch typische Schwarzwälder, bodenständig und nahbar.